Der Pultec Low-End-Trick: Boost und Attenuation erklärt
Warum Pultecs überall zu finden sind
Ein Studio-Standard seit Jahrzehnten
In nahezu jedem kommerziellen Studio und in vielen hochwertigen Heimstudios findest du ein oder mehrere Pultec EQs. Außerdem haben die meisten Software‑Entwickler, die Modelle vintage Prozessoren erstellen, ein oder zwei Pultec-Plug‑ins im Angebot.
Eine kurze Geschichte der Pultec
Pultecs wurden ursprünglich in den 1950er Jahren von Pulse Techniques hergestellt. (Das „Pul“ stammt von „Pulse“ und das „tec“ von „Techniques“).
Obwohl die ursprüngliche Firma 1981 geschlossen wurde, wurde sie unter neuer Leitung wiederbelebt und stellt heute originalgetreue Hardwareversionen ihrer renommierten EQs her. Zudem bauen einige Hersteller „Clone‑Versionen“ von Pultecs, darunter Tube Tech, Klark Teknik und Warm Audio, um nur ein paar zu nennen.
Fab Duponts Tiefbass‑Technik
Ein kontraintuitiver, aber wirkungsvoller Ansatz
In diesem Auszug aus How to Listen—Pultec Edition demonstriert Fab eine Technik zum Einstellen der Low‑Frequency‑Band eines Pultec, die auf den ersten Blick kontraintuitiv erscheinen mag, aber tatsächlich äußerst nützlich ist. Wir steigen bei Fab im Studio ein, neben einer silbernen Pultec EQH-2‑Einheit.
Die EQH-2 und verwandte Modelle
Die EQH-2, die wie die meisten anderen Hardware‑Pultecs ein Mono‑Gerät ist, wurde ursprünglich als kleinere (2RU) Alternative zur (3RU) EQP-1 gebaut. Sie hat nur zwei Bänder (ein Low‑Shelf und ein High‑Peak) im Vergleich zu drei beim EQP-1A (Low‑Shelf, High‑Peak, High‑Shelf), besitzt aber dieselben Filterformen für das Low‑Band, sodass sie in Bezug auf die von Fab demonstrierte Technik austauschbar sind. Pultec baute außerdem einen auf den Mittenbereich ausgerichteten EQ namens MEQ-5, den Fab ebenfalls in seinem Studio hat und der im Auszug sichtbar ist.
Pultecs in Fabs Studio

Aus Fabs Studio: ein Pultec MEQ-5 (oben) und ein EQH-2 (unten).
Pultec FAQ
Induktivitäten, Röhren und Klang
Pulse Technologies konstruierte Pultec EQs mit induktorbasierter Schaltung (Induktivitäten sind eine Art Bauteil), was eine leichte Sättigung erzeugt und sie sehr musikalisch klingen lässt. Die Filter in Pultecs sind passiver Bauart, was zu einem Pegelverlust im Signal führt, das durch sie hindurchgeht.
Verstärkerstufen und musikalische Färbung
Zur Kompensation setzte Pulse Technique nach den Filtern eine Verstärkerstufe ein. In vielen Pultec-Modellen basierte diese auf Röhren, was dem Klang zusätzliche Süße verlieh. Wie Fab im vollständigen Video (verfügbar für Puremix Pro Mitglieder) zeigt, verbessert allein das Durchschalten einer Quelle durch einen röhrenbetriebenen Pultec ohne Boosts oder Cuts meist schon deren Klang.
Feste Frequenzauswahlen
Die Frequenzbänder in Pultecs sind nicht stufenlos verstellbar. Stattdessen bieten sie jeweils eine kleine Anzahl voreingestellter Frequenzauswahlmöglichkeiten. Zum Beispiel hat das Low‑Band beim EQP-1A und beim EQH-2 nur vier Frequenzoptionen: 20Hz, 30Hz, 60Hz und 100Hz für das Low‑Band. Obwohl so wenige Auswahlpunkte einschränkend erscheinen mögen, sind sie gut gewählt und besitzen breite Bandbreiten, die das Signal weit über oder unter der gewählten Frequenz beeinflussen.
Auswahlmöglichkeiten für das Low‑Band

Die Low‑Band Frequenzauswahlen auf Pultec EQs (CPS steht für cycles per second. 1 CPS entspricht 1Hz).
Breite Filter und Überschneidungen
Wenn du zum Beispiel das Low‑Band auf 30Hz einstellst, ist das Shelf so breit, dass es bis in den Bereich um 1000Hz wirkt. Ebenso beeinflusst das High‑Band Frequenzen bis hinunter in den unteren Mittenbereich. Beim EQP-1A, im Gegensatz zur EQH-2, kannst du die Bandbreite des oberen Peak‑Bands einstellen.
One Way and the Other: Die Two‑Knob‑Technik
Boost und Attenuation zusammen
Ein Vorteil der Pultec EQs und ihrer Klone ist, dass sie auf den Low‑Bändern separate Boost‑ und Attenuation‑Knöpfe bieten. Im Gegensatz zu anderen EQ‑Typen, bei denen du einen einzigen Regler hast, der entweder anheben oder absenken kann, kannst du bei Pultecs beides gleichzeitig tun — genau die Technik, die Fab in diesem Auszug demonstriert.
Warum das funktioniert
Auf den ersten Blick wirkt die „2‑Knopf‑Technik“ kontraintuitiv, weil du dieselbe Frequenz gleichzeitig anhebst und absenkst. Logisch würde man denken, dass sich das gegenseitig aufhebt. Sogar Pulse Techniques dachte anfangs so und warnte im Handbuch davor.
Unterschiedliche Kurven, unterschiedliche Ergebnisse
Wie sich jedoch zeigt, lassen sich durch die Kombination beider Regler einzigartige Einstellungen erzeugen. Ingenieure entdeckten, dass Boost‑ und Cut‑Parameter nicht exakt dieselben Frequenzen oder Filterformen haben. Dadurch hebt sich nicht einfach der eine Regler vom anderen auf, sondern die Kombination ermöglicht Einstellungen, die mit nur einem Regler unmöglich wären. Zum Beispiel kannst du, wie Fab demonstriert, die Attenuation nutzen, um etwas von der mittigen Matschigkeit zu reduzieren, die auftreten kann, wenn du das Low‑Band mit seinen breiten Filtern anhebst.
Die Technik visualisieren

Die gleichzeitige Verwendung der Boost‑ und Attenuate‑Knöpfe kann Einstellungen erzeugen, die mit keinem der beiden einzeln erreichbar sind.
Zeig es: Fab demonstriert die Technik
Einrichten der Drum‑Loop
Fab demonstriert die Technik mit einer Stereo‑Drum‑Loop. Da die EQH-2 mono ist, summiert er das Ausgangssignal auf einen Monokanal, auf dem er die EQH-2 als Hardware‑Insert in Pro Tools platziert.
Anheben und säubern
Er startet die Drum‑Loop mit dem Low‑Band der EQH-2 auf 60Hz und dem High‑Band ausgeschaltet. Zuerst wendet er eine moderate Anhebung an, fragt dann: “What if I wanted more?” und dreht den Boost über fünf. Nun klingt es fett, aber etwas matschig. Also fügt er die Attenuation hinzu und dreht den Regler auf knapp unter drei. Der Klang wird etwas schlanker, aber die Drums klingen durch den Boost trotzdem deutlich kräftiger.
Warum das Reduzieren des Boosts nicht dasselbe ist
Fab weist darauf hin, dass man zwar denken könnte, denselben Effekt zu erzielen, indem man einfach den Boost‑Regler niedriger stellt — das funktioniert aber nicht. Zur Demonstration entfernt er die Attenuation und reduziert den Boost auf etwas über 4. Er stellt fest, dass er nicht dieselbe Spitzenanhebung bei 60Hz erreicht wie mit beiden Reglern zusammen. Das liegt daran, dass sich die Form des Filters ändert, wenn die Attenuation aktiviert ist und mehr der unteren Mitten abgeschnitten werden.
Analyse der Frequenzantwort
Anschließend öffnet er das iZotope Insight 2 Plug‑in im Spektrumanalysator‑Modus. Er erzeugt weißes Rauschen mit einem Tongeräte‑Generator und schickt es durch den Pultec, sodass man die Wirkung der Regler auf die Frequenzantwort deutlich sehen kann.
Er vergleicht die Wirkung des Bass‑Boosts mit und ohne Attenuation. Ohne diese sind die Mittenfrequenzen lauter. Durch die Attenuation wird das Signal insgesamt im Bereich von etwa 300Hz bis 4kHz abgesenkt.
Spass mit Pultecs
Die Technik im Mix anwenden
Für Pultecs gibt es zahlreiche Einsatzmöglichkeiten, und es existieren viele ausgezeichnete Plug‑in‑Versionen. In den folgenden Beispielen hören wir das UAD Pultec EQP-1 an ein paar verschiedenen Quellen und wenden die Two‑Knob‑Technik an.
Beispiel 1: Drums
Im ersten Beispiel hörst du einen Abschnitt eines einfachen Multitrack‑Drum‑Mixes, bestehend aus Kick, Snare und Stereo‑Overheads.
EX. 1a: Hier ist der Pultec bypassed.
Nur Boost
EX. 1b: Diesmal sind auf den Kick‑ und Snare‑Spuren jeweils Instanzen des EQP-1A‑Plug‑ins eingefügt. Die Kick ist bei 60Hz geboostet und die Snare bei 100Hz. Beide sind außerdem im High‑Peaking‑Band angehoben.
Boost plus Attenuation
EX. 1c: Diesmal sind dieselben Boosts gesetzt, aber bei jedem Plug‑in modifiziert die Attenuation deren Wirkung. (Siehe Screenshot unten). Nachdem du dir dieses Beispiel angehört hast, geh schnell zurück und hör dir EX 1a an, damit du die volle Wirkung der Einstellung im Vergleich zum bypassed Zustand des Pultec wahrnehmen kannst.
Visueller Vergleich

Die Einstellungen am Boost‑Regler sind für die Beispiele 1b und 1c gleich, aber die Attenuation wird nur in Beispiel 1c verwendet.
Beispiel 2: E‑Bass
Die zweite Beispielreihe konzentriert sich auf die Anwendung des EQP-1A‑Plug‑ins auf E‑Bass. Du hörst den Bass im Kontext eines viertaktigen Abschnitts einer Multitrack‑Mix‑Session.
Bass ohne Pultec
EX. 2a: Auf dem Bass ist kein Pultec eingesetzt.
Geboosterter Bass
EX. 2b: Der Low‑Band Boost‑Regler des Plug‑ins steht bei etwa vier auf 100Hz, und das High‑Peaking‑Band ist bei 3kHz angehoben. Das Ergebnis ist etwas basslastig.
Kontrollierter Tiefbass
EX. 2c: Mit denselben Boost‑Einstellungen wie in Beispiel 2b ist die Attenuation auf etwas über vier gesetzt, wodurch die „Bossiness“ etwas reduziert wird. Es ist subtil, aber wenn du dich beim Hören auf den Bass konzentrierst, hörst du die Unterschiede.
Bass‑Plug‑in‑Einstellungen

Die Einstellung aus Beispiel 2c.